Dialog 4

IG: Betatiér, zu mir! Sofort!

BT: Ihro Gefräßigkeit?

IG: Schick mir Konrad.

BT: Verzeihung?

IG: Schick mir Konrad!

BT: Konrad?

IG: Zieh los und frag nicht so dumm. Bin ich der einzige vernunftbegabte Ulmensplintkäfer in diesem Wald?

BT: Verzeihung – ich hole ihn.

IG: Es ist unglaublich, es ist unglaublich. Wegen der Dummheit eines Einzelnen setzen wir ein Generationenprojekt auf‘s Spiel.

BT: Hier ist er!

IG: Verzeihung?

BT: Hier ist er.

IG: So schnell? Nun gut, wenigstens das klappt. Du kannst gehen.

K: Wer ich?

IG: Nein, er!

BT: Ich?

IG: Wer sonst? Mit den Weibchen brauche ich ja wohl im Moment nicht sprechen, so hormongeladen, wie die gerade sind.

BT: Verzeihung, also dann, Tschüß!

IG: Nun zu dir!

K: Zu mir?

IG: Jetzt knack mir aber einer ne Ulmenfrucht – wer sonst verdammt nochmal. Wer ist denn noch hier, außer uns beiden?

K: Verzeihung. Das konnte ich so schnell nicht beurteilen.

IG: Ist ja gut jetzt. Wenn‘s mit deiner Urteilskraft auch nicht weit her ist, wenigstens Verstand hast du bewiesen.

K: Das kann ich nicht beurteilen.

IG: Aber ich, scheint mir, bin der einzige vernunftbegabte Ulmensplintkäfer im ganzen Ulmenwald.

K: Und die Weibchen?

IG: Was ist jetzt mit den Weibchen?

K: Da sind auch einige dabei, die ganz schön clever sind.

IG: Verzeihung?

K: Ich meinte nur, auch Weibchen sind nicht dumm –  Verzeihung Ihro Gefräßigkeit.

IG: Bekanntschaft mit Clara Zetkin gemacht, oder was?

K: Clara wer?

IG: Tut nichts zur Sache. Frauenrechtlerin, noch vor dem Ende der Kaiserzeit.

K: Ich mag Frauen.

IG: Mag sein, mag sein. Aber im Moment tickt denen ganz schön die Angst im Tarsus. Und mir gleich mit.

K: Verzeihung?

IG: Keine Männchen mehr da, außer uns drei.

K: Drei?

IG: Ich habe Betatiér mitgerechnet.

K: Ach drei. Wo sind die anderen Männchen?

IG: Haben bei ihrer Untersuchung des Waldes wohl Zeit und Raum vergessen. Ich vermute, sie sind in die Stadt geraten und von Katzen gefressen worden. Oder von Menschen. Wer weiß!

K: Das ist ja widerlich.

IG: Das ist eine Katastrophe.

K: Eine Katastrophe.

IG: Irgendwer muss die Weibchen befruchten.

K: Was, alle 2902?

IG: Traust du dir das zu?

K: Trau ich mir das… Das kann ich nicht beurteilen. Ich habe noch nie.

IG: Noch nie? Was hast du letztes Jahr getan.

K: Da bin ich geschlüpft. Als dritte Larve im 7. Fraßgang, 17. Ulme des vorvorherigen Waldes.

IG: Das weiß ich selbst. Es sind sonst keine Männchen da. Betatiér ist zu unbegabt. Also bleiben nur wir zwei. Traust du dir das zu?

K: Also 1451. Das klingt ja schon ganz anders.

IG: Ob du dir das zutraust, will ich wissen.

K: Ich halte es nicht für günstig.

IG: Bitte???

K: Damit reduziert sich das Erbgut der zukünftigen Generationen auf nur zwei mögliche y-Chromosome.

IG: Bitte???

K: War nur so ein Gedanke. Also gut Chef – Verzeihung – Ihro Gefräßigkeit. Ich werd sehen, was ich tun kann.

IG: Das wollte ich hören. Für unsre Larven!

K: Für unsre Larven!!! Und was sagen wir Betatiér?

IG: Den schick ich auf Erkundungsflug zu dieser merkwürdigen Waldlichtung mit dem schiefen Gemäuer.

K: Den Bunker aus dem 2. Weltkrieg?

IG: Was weiß ich, wer das gebaut hat. Aber wenn‘s schief steht, wie ne gereckte Hand, ist es wohl eher undemokratisch! Nur – ein Bunker ist das nicht.